August 10, 2021

O Captain! My Captain!

10. August 2021

Von Adam Englert

,Er deckte jeden Millimeter Rasen ab, er spielte als würde er lieber an Erschöpfung sterben als das Spiel zu verlieren. Er inspirierte alle seine Mitspieler, ich fühlte mich fast schon geehrt mit diesem Spieler assoziiert zu sein!”

Mit diesen Worten beschrieb Sir Alex Ferguson die Leistung seines Kapitäns im Champions League Halbfinalrückspiel gegen Juventus, einem der denkwürdigsten Spiele in der Triple Saison 1999. Eine Partie, die United-Fans fast ausschließlich mit einem Mann in Verbindung bringen – mit Roy Keane. Dabei hätte aus United-Sicht das Spiel nicht schlimmer beginnen können. Nach dem 1:1 im Hinspiel führte Juventus im altehrwürdigen Delle Alpi nach nur 11 Minuten durch einen Doppelpack von Pippo Inzaghi mit 2:0 – eine fast uneinholbare Führung gegen den damaligen haushohen Favoriten. Juventus schien eine Nummer zu groß für das junge Team von Sir Alex Ferguson und man war sich eigentlich einig, dass das Halbfinale bereits nach wenigen Minuten verloren war. Glücklicherweise war an jenem Tag unser Kapitän anderer Meinung…

Als alle Köpfe hingen und sich alle auf das fast unausweichliche Ausscheiden eingestellt hatten, war es ausgerechnet der irische Mittelfeldmotor, der die Wende einleitete. In Minute 24 verkürzte er per Kopf zum 1:2 und brachte dadurch aus dem Nichts seine Mannen zurück ins Spiel, da die Red Devils nur noch ein Tor vom entscheidenden zweiten Auswärtstor trennte. Leider hatte das Drehbuch jedoch noch eine grausame Wendung auf Lager: Mitte des ersten Durchgangs brachte Keane Zidane an der Mittellinie zu Fall, was eine gelbe Karte auf sich zog, seine dritte im Wettbewerb und gleichbedeutend mit einer Sperre im Finale. Somit war klar, dass Keane im Falle des Finaleinzugs das größte Spiel seines Lebens verpassen würde.

Man kann nur erahnen, welche Enttäuschung er in diesem Moment verspürt haben muss, doch anstatt in Selbstmitleid zu verfallen, schien dieser Schicksalsschlag Keane noch mehr zu motivieren. In den restlichen 60 Minuten absolvierte der Ire das Spiel seines Lebens, kämpfte verbissen bis zum Umfallen und ging mit besessenem Eifer in die Zweikämpfe, sodass kein Ball mehr verloren gehen sollte. Am Ende drehte United das Spiel durch von Yorke und Cole und stand zum ersten Mal seit 1968 im Finale des größten europäischen Wettbewerbs. Ein kleines Fußballwunder, das ohne des selbstlosen Auftretens des Kapitäns keinesfalls möglich gewesen wäre.

Dies ist nur ein Beispiel welch großen Einfluss der irische Mittelfeldmotor auf das Mannschaftsgefüge während seiner Zeit bei Manchester United hatte. Keane war die Führungsperson schlechthin, aber eben Mittelfeldantreiber zugleich, der mit Paul Scholes, David Beckham und Ryan Giggs das wohl beste Mittelfeld der Vereinshistorie bildete. Unvergessen sind dabei auch seine Duelle mit Widersacher Patrick Vieira, dem Kapitän des größten Rivalen FC Arsenal in den Nullerjahren. Als sich Vieira 2005 vor einem Spiel im Tunnel von Highbury mit Gary Neville anlegen wollte, kam es zum Eklat im Tunnel zwischen den beiden Heißspornen. Zyniker würden behaupten, dass Keane diese Konflikte suchen würde und stets Ärger anziehen würde. Retrospektiv wird Keane ungerechterweise als Rauhbein dargestellt, der Gegner mutwillig verletzte, so wie beispielsweise bei seinem Tackling gegen Alf-Inge Haaland (Vater von Erling) im Manchester Derby 2001. Die Wahrheit ist jedoch, dass er sich stets für seine Teamkollegen einsetzen wollte und keine Provokationen duldete. Keane teilte dann aus, wenn der Gegner selbst das Messer zwischen den Zähnen hatte. Ein richtiger Kapitän eben, der sich immer in den Dienst der Mannschaft gestellt hat, laut wurde wenn er laut sein musste und eben auch “ein körperliches zeichen” setzte, wenn es der Gegner drauf anlegte.

Auch neben dem Platz war Keane kein Kind von Traurigkeit. Kurz vor der WM 2002 verließ er nach einem Streit mit Manager Mick McCarthy frühzeitig das irische Trainingslager, wodurch das größte Turnier im Fußball ohne ihn stattfand. Drei Jahre später führte ein Streit mit Alex Ferguson und dem United-Vorstand zu seinem verfrühten Abgang zu Celtic. Es war ein unrühmliches Ende einer zwölfjährigen Erfolgsstory bei Manchester United, dem Club mit dem Keane sieben Meistertitel sowie den Champions League Titel 1999 gewinnen konnte. Keane nahm eben selten ein Blatt vor dem Mund und hatte keine Angst davor seinen Unmut (auch öffentlich) zu äußern, sogar wenn es gegen den größten Vereinstrainer aller Zeiten gerichtet war. Auch heute noch ist Keane in England, der mit Abstand beliebteste TV-Experte, da er unverblümt seine teils kontroversen Meinung zum Besten gibt und keine Scheu hat auch große Namen zu kritisieren, zudem aber auch (“It’s his Job”) einen Kontrast zum verwöhnten Fußballer der Moderne darstellt. Mittlerweile ist er deshalb etwas zu einer Karikatur des humorlosen und überharten Ex-Profis geworden, der die neue Fußballgeneration verabscheut. Wer sich mit Keane auseinandersetzt, wird jedoch wissen, dass Keane keine Polemik betreibt, sondern lediglich seine ehrliche und authentische Persona nach Außen präsentiert. Ein geradliniger Typ, der harte ehrliche Arbeit schätzt und keine Zeit für Eitelkeiten übrig hat. Eine Einstellung, die den Mann aus dem Süden Irlands zu einer United-Ikone hat werden lassen.

Viele würden sicherlich den Zugang von Eric Cantona als den Meilenstein in der Ferguson-Ära betrachten, doch die Verpflichtung von Roy Keane 1993 von Nottingham Forest, für die damalige britische Rekordsumme von 3,75 Mio. £, ist sicherlich nicht minder bedeutend. Ohne Keane wäre das Triple im Jahr 1999 wohl nicht möglich gewesen. Ferner noch geht Keanes Einfluss sogar so weit, dass er die Rolle des Kapitäns wie vielleicht kein anderer in der Premier League Ära definiert hat. Der unscheinbare Ire aus Cork lebte seinen Teamkollegen jeden Tag Professionalität vor, führte seine Mitspieler mit einer unheimlichen Hingabe, duldete im Training nicht die kleinste Undiszipliniertheit. Es war diese Einstellung, dieser Wille, diese Entschlossenheit, die das United der späten 90er und frühen Nullerjahre prägten. Er war keinesfalls der talentierteste Spieler des Clubs, aber in der 143 jährigen Historie von Manchester United wird es kaum einen Spieler gegeben haben, der so verbissen gewinnen wollte, so dass sein Name bis heute Synonym für die Werte sind, die diesen Weltclub so erfolgreich macht. Die Einstellung fleißiger als der Gegner zu sein, härter in die Zweikämpfe zu gehen, weitere Wege zu laufen und disziplinierter zu stehen als alle anderen. Tugenden, die unseren Arbeiterverein aus dem Norden Englands zum größten Club der Welt gemacht haben. Roy Keane hat diesen Ethos und diesen Geist verkörpert.

lá breithe shona duit, captaen

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