
12. August 2021
Von Adam Englert
Letzte Saison
Auch wenn es mal wieder nicht für einen Titel unter der Leitung von Vereinslegende Ole Gunnar Solskjaer gereicht hat, konnte man als United-Anhänger der Saison 2020/21 viel Positives abgewinnen. Zum ersten Mal seit der Ära Alex Fergusons gelang es uns in der Liga ernsthaft am Titelkampf teilzunehmen, auch wenn man sich am Ende deutlich den überragenden Citizens geschlagen geben musste. Unterm Strich blieb aber der zweite Rang, die beste Platzierung seit der Saison 2017/18 als man unter Mourinho ebenso die Spielzeit als Vizemeister hinter den “Noisy Neighbours” beendete. Trotz der positiven Tendenz, schmerzt die Niederlage im Finale der Europa League gegen Villarreal, als man trotz teils drückender Überlegenheit die Spanier nicht besiegen konnte und schlussendlich denkbar knapp im Elfmeterschießen mit 11:10 scheiterte. Somit warten wir weiterhin auf den ersten Titel seit 2017, eine vierjährige Durststrecke, die für einen Verein wie Manchester United sicherlich nicht akzeptabel ist.
Den größten Sieg der letzten Spielzeit gab es jedoch nicht auf dem Platz, sondern abseits des Spielfelds. Im April verkündeten sechs Topvereine aus der Premier League sowie jeweils drei Teams aus Italien und Spanien die Gründung einer europäischen Super League. Über Nacht schien es als würde der Herz des Fußballs im Sumpf der Gier der Clubbesitzer untergehen, aus United-Sicht schien die 143-jährige Historie sowie auch die Zukunft, aber auch die Integrität des Vereins in großer Gefahr. Was folgte war einer der skurrilsten Episoden in der Geschichte des englischen Fußballs, als tausende Fans gegen die Pläne protestieren und den Besitzern lautstark zu wissen gaben wie sehr man ihre Pläne verachtete. So dauerte es lediglich 48 Stunden ehe sich die englischen Vereine aus der “Super League” verabschiedeten und einer der schwärzesten Stunden des Fußballs dank dem Engagement der Fans doch noch abgewendet werden konnte. Dennoch ist das ohnehin schon schwierige Verhältnis der Fans zu den Glazers weiterhin sehr angespannt. Zwar räumten unsere Besitzer, wenn auch viel zu spät, ein, dass die Gründung der Super League ein Fehler war, dennoch hat dieser Vertrauensbruch nochmals verdeutlicht wie sorglos die amerikanischen Besitzer mit unserem Verein umgehen, der so vielen Menschen auf der Welt so viel bedeutet. Nach einigen Monaten ist nun etwas Ruhe eingekehrt, doch die United-Fans werden den Glazers diesen Verrat wohl lange nicht verzeihen, egal wie erfolgreich die kommenden Jahre auch werden.
Die Rückkehr der Fans
Die beste Nachricht zur neuen Spielzeit ist die Rückkehr der Fans in Englands Stadien. Seit dem “Freedom Day” am 19. Juli sind in Großbritannien (fast) alle Beschränkungen weggefallen, sodass alle Vereine wieder Fans in ihre Heimstätten begrüßen dürfen – und zwar zur vollen Kapazität. Dadurch können wir bereits am Samstag gegen Leeds 75.000 Fans im Old Trafford begrüßen, ein Gefühl, das wir seit dem 8. März 2020 beim Derbysieg gegen City nicht mehr erleben durften. Trotz allem sollten wir keineswegs glauben, dass das Thema “Corona” in dieser Saison nicht mehr relevant sein wird. Zuletzt mussten wir unser Testspiel gegen Preston aufgrund weniger positiver Tests absagen, während Jesse Lingard und Dean Henderson das letzte Testspiel nach einem Positivbefund verpassen mussten. Zudem ist es möglich, dass bei einer signifikanten Erhöhung der Inzidenz in England, die Kapazität wieder beschränkt werden könnte. Daher sollten wir die kommenden Wochen mit den vollen Stadien genießen mit dem Wissen, dass sich in der Pandemie die Dinge wieder schnell ändern können.
Vorbereitung
Ein kleiner positiver Effekt der Corona-Pandemie ist wohl die Tatsache, dass wir die gesamte Vorbereitung in der Heimat verbringen durften und nicht wie üblich halbe Welt zwecks Marketing in wenigen Wochen abklappern mussten. So gab es keine Spiele in Shanghai, Washington oder Sydney gegen Real, Barcelona oder Juventus, stattdessen Kurztrips nach Derby und London gegen QPR sowie zwei Heimspiele gegen Brentford und Everton, sportlich eher unspektakulär, dafür aber logistisch eine sehr angenehme Ausnahme für Solskjaer und seine Jungs. Dabei musste United überwiegend mit einer B-Elf auftreten, da das Gros an Spielern nach der Euro und Copa noch im Urlaub waren, sodass es zunächst eher bescheidene Auftritte zu sehen gab. Als die Topspieler letztes Wochenende zurückkamen, gab es als Entschädigung zum Abschluss der Testspielphase ein überzeugendes 4:0 gegen Everton, ein Resultat, das sehr viel Hoffnung für die neue Saison weckt, wobei man Testspiele freilich nur bedingt als aussagekräftig betrachten darf. Aufgrund der Turniere im ist es ohnehin denkbar, dass alle Teams zunächst etwas hölzern aus der Sommerpause zurückkehren, sodass man wie bereits im letzten Jahr die ein oder andere Überraschung erwarten darf, weshalb aus United-Sicht ein guter Start in die neue Spielzeit goldwert sein könnte.
Transfers
Mit Jadon Sancho und Raphael Varane haben wir in diesem Jahr frühzeitig bereits zwei große Coups auf dem Transfermarkt gelandet. Mit Sancho haben wir einen der vielversprechendsten Talente des Planeten verpflichtet, der aber jetzt schon einer der besten Offensiv-Allrounder der Welt ist, zusätzlich für sein Alter schon relativ erfahren ist – aber vielleicht noch wichtiger, mit dem englischen Fußball aus der Nationalmannschaft und seiner Zeit bei Man City vertraut sein sollte. Raphael Varane hingegen ist ein Fußballer auf dem Zenit seiner Karriere, der aber mit gerade einmal 28 Jahren fast alle großen Titel auf seiner Visitenkarte stehen hat. Bei ihm muss man lediglich abwarten wie schnell er sich an die teilweise sehr robuste englische Gangart gewöhnen wird, ansonsten kann man sich sehr glücklich schätzen einen solchen Weltklasse-Innenverteidiger für “nur” 41 Mio. £ rekrutiert zu haben. Trotz dieser guten Ausbeute müssen für uns die Transferaktivitäten keinesfalls abgeschlossen sein. Laut verschiedener Medien haben wir weiterhin großes Interesse an der Verpflichtung von Kieran Trippier von Atletico, auch wenn man sich mit dem spanischen Meister noch nicht einig werden konnte und ein Wechsel deshalb auf der Kippe steht. Zudem ist es nicht abwegig, dass wir uns noch im defensiven Mittelfeld verstärken wollen, wobei bisher Eduardo Camavinga von Rennes der einzige realistische Name zu sein scheint. Gleichzeitig werden wir auch versuchen den ein oder anderen Spieler zu verkaufen oder zu verleihen. Paul Pogba, lange Zeit ein Kandidat für einen Wechsel zu PSG, sollte nach dem Transfer von Lionel Messi allerdings bis zu seinem Vertragsende in Manchester bleiben, wodurch wir hoffentlich keinen Stammspieler verlieren sollten. Bisher wurden Pellistri, Chong, Laird und Tuanzebe bereits verliehen, sicherlich nicht die letzten Youngster, die vor dem Saisonstart den Verein temporär verlassen werden.
Der Kader
Tor
Insgesamt kann Ole Gunnar Solskjaer in seiner dritten (vollen) Saison auf einen in der Breite sehr qualitativ hochwertigen Kader zurückgreifen. Im Tor gibt es mit der Verpflichtung von Tom Heaton einen weiteren erfahren und zuverlässigen Keeper, der die zwei Stammkeeper Henderson und de Gea gut ergänzt. Wie in der letzten Saison wird sich Solskjaer schwertun auf einen Torhüter festzulegen, da beide auf einem sehr hohen Niveau spielen und gute Argumente für den Stammplatz zwischen den Pfosten anbieten. Aufgrund der zahlreichen Spiele wird es für beide reichlich Spielzeit geben, dennoch sollte sich der Trainer spätestens im Herbst auf eine Nummer 1 festlegen, damit auf der Position etwas Ruhe einkehrt.
Abwehr
Aaron Wan-Bissaka sollte auf der rechts hinten seinen Stammplatz sicher haben, hat aber seit der Rückkehr von Diogo Dalot einen hochwertigen Ersatz, der im Angriffsspiel möglicherweise mehr Facetten zu bieten hat. Brandon Williams, der beide Außenpositionen bekleiden kann, wird deshalb wohl kaum zum Einsatz kommen, weshalb eine Leihe eine sinnvolle Alternative wäre. Mit Raphael Varane haben wir nun endlich einen zweiten Innenverteidiger von Weltformat rekrutiert, der mit dem in der zweiten Saisonhälfte formstarken Maguire gesetzt sein sollte. Mit Victor Lindelöf, letztes Jahr unangefochtener Stammspieler und Eric Bailly haben wir zwei zuverlässige Vertreter sowie mit Teden Mengi und Will Fish zwei talentierte Youngster, wodurch wir im Zentrum der Abwehr hoffentlich sorgenfrei planen können. Luke Shaw, der eine überragende EM gespielt hat, dürfte ohne wenn und aber links hinten Stamm spielen, wobei wir mit Alex Telles, leider bis Oktober verletzt, einen sehr talentierten Back-Up haben, der auch mit guten Standards eine neue Dimension ins Spiel bringen kann.
Defensives Mittelfeld
Unsere Sorgenposition ist in dieser Spielzeit wohl das defensive Mittelfeld. Mit Fred und McTominay haben zwar eine sehr fleißige und zuverlässige Achse, dennoch wären beide Spieler wohl in keinem anderen Topclub Europas Stammspieler, während wir mit Nemanja Matic zwar einen weitere sehr erfahrene und fähige Option im Zentrum besitzen, der Serbe aber wohl nicht mehr im Stande sein sollte 50-60 Spiele in der Saison zu bestreiten. Weitere Kandidaten auf der Position sind Andreas Pereira, der letzte Saison bei Lazio ausgeliehen war und Youngster James Garner, ein großes Talent, dem aber auf dieser wichtigen Position die große Klasse (noch) fehlt. Sollten wir keine weiteren Transfer auf der Sechs tätigen, könnte sich dies schnell rächen, da wir im Fall einer schweren Verletzung im ohnehin schon dünn besetzten Position eine große Lücke schließen müssten.
Offensives Mittelfeld
Im offensiven Mittelfeld schaut die Situation zum Glück ganz anders. Mit Bruno Fernandes haben wir den vielleicht besten 10er der Liga, der auch in dieser Saison Dreh- und Angelpunkt unseres Angriffsspiels sein wird. Sollte Paul Pogba bleiben haben wir einen weiteren Weltklassespieler, der sämtliche Positionen im Mittelfeld bekleiden kann, weshalb es zu hoffen ist, dass er uns zumindest bis zum Vertragsende 2022 erhalten bleibt. Gebannt wird man derweil auf Donny van de Beek blicken, der letzte Saison kaum zum Zug kam, aber in den Testspielen einen guten Eindruck gemacht und viel Spielzeit bekommen hat und sicherlich hochmotiviert ist, in seiner zweiten Saison durchzustarten.. Zusätzlich können wir noch auf die Routiniers Jesse Lingard, sofern er nicht doch wechselt, und Juan Mata bauen, die in den Pokalspielen hochwertige Alternativen darstellen könnten. Obendrein haben wir mit Hannibal Mejbri einen sehr vielseitigen Youngster, der nach seinem Debüt im letzten Spiel der Vorsaison sicherlich mehr Kurzeinsätze bekommen sollte, wenn nicht gar ein Kandidat für den Durchbruch in den erweiterten Kader ist. Diese Fülle an offensiven Zentralspielern hat auch bei Solskjaer ein Umdenken bewegt, da der Norweger mutmaßlich nur noch mit einem Sechser agieren möchte und stattdessen zwei offensive Achter aufbieten möchte. Ob er dies auch gegen die Big Six oder in der KO-Phase der Königsklasse wagt, bleibt jedoch äußerst ungewiss.
Angriff
Zweifelsfrei ist der Angriff immer noch das Juwel in der Krone von Manchester United. Edinson Cavani hat letzte Rückrunde eindrucksvoll gezeigt, dass er mit 34 immer noch einer der besten Mittelstürmer der Welt ist. Sollte der Uruguayer fit bleiben ist es nicht abwegig, dass er erneut an der 20-Tore-Marke kratzen könnte. Neben Cavani ruhen viele Erwartungen auf Mason Greenwood, den vielleicht besten Vollstecker im Kader, der letzte Saison etwas enttäuschte, fraglos aber einer der größten Stürmertalente der Welt ist und eine große Karriere noch vor sich hat. Unterstützt werden Cavani und Greenwood im Zentrum von einer Reihe von hochtalentierten und jungen Flügelspielern allen voran Jadon Sancho, der mit seiner Ablöse von 73. Mio £ gleich ins Rollen kommen sollte. Marcus Rashford, in der Amtszeit Solskjaers der Spieler mit den meisten Einsätzen, sollte auf Linksaußen gesetzt sein, nach seiner Schulter-Op wird der “Doctor” aus der eigenen Jugend jedoch bis mindestens Oktober pausieren müssen. Dies könnte abermals die Chance für Anthony Martial sein, der nach seiner Verletzung am Ende der letzten Saison wieder ein Faktor werden könnte, sofern er in seinem Spiel mehr Konstanz entwickelt. Zusätzlich gibt es mit dem nimmermüden Dan James einen vielseitigen Ersatz ohne Allüren, außerdem noch mit Amad Diallo, Shola Shoretire und Anthony Elanga drei spannende Youngster, die aufgrund der großen Zahl an Spielen ihre Einsatzminuten bekommen werden.
Konkurrenz
Es sollte nicht überraschen, dass Sancho und Varane nicht die einzigen prominenten Zugänge unter den Topclubs der Premier League sind. Meister Manchester City hat mit der Verpflichtung von Jack Grealish für einen britischen Rekord von 100 Mio. £ seine Ambitionen unterstrichen und gilt deshalb weiterhin als Titelkandidat Nummer Eins. Auch der Champions League Sieger FC Chelsea steht vor der Verpflichtung von Ex-Red-Devil Romelu Lukaku, dessen Ablöse nur knapp unter einem dreistelligen Millionenbetrag liegen dürfte, wird im Titelrennen hoch gehandelt. Erzrivale Liverpool hat zwar mit Konate von Leipzig bisher nur einen nennenswerten Transfer vollzogen, dennoch dürften die Reds mit der Rückkehr von Topstar Virgil van Dijk ebenso ein ernstzunehmender Titelkandidat sein. Leicester, Arsenal und Spurs sollten im Meisterschaftskampf keine Rolle spielen, trotzdem ist es nicht auszuschließen, dass einer der drei den Sprung in die Top 4 schafft. Wie jedes Jahr darf man in der besten Liga Europas nicht nur auf die Topteams blicken, da alle Teams konkurrenzfähig sind und an einem guten Tag jeder jeden schlagen kann. Letzte Saison war West Ham das Überraschungsteam, das mit Platz 6 unter Ex-United-Trainer Moyes alle Erwartungen übertraf. In dieser Spielzeit gibt es eine Zahl von Clubs wie Leeds, Wolves oder Aston Villa, die hoch gehandelt werden und Chancen auf die europäischen Plätze haben. Selbst die Aufsteiger Norwich, Watford und Brentford, allesamt ehrgeizig und finanzstark, scheinen in dieser Spielzeit keine klassischen Abstiegskandidaten, weshalb wir in der Premier League 38 knallharte Spielen erwarten dürfen. Ohnehin hat die letzte Europapokal wieder gezeigt, dass die Premier League in der Breite (und in der Spitze) in Europa der Krösus unter den Ligen ist – wenn eine Liga dem Prädikat “Super League” gerecht wird, dann wohl das englische Oberhaus in der Saison 2021/22!
Fazit
Die Spieler von Manchester United werden den Sommer 2021 nicht unbedingt positiv in Erinnerung behalten. Neben der Enttäuschung in Danzig gegen Villarreal mussten Rashford, Maguire, Shaw und Sancho sowie auch Fred in der Copa American schmerzhafte Finalniederlagen wegstecken, womit kein einziger Spieler die Saison mit einem Titel beenden durfte. Trotzdessen gibt es zahlreiche Gründe optimistisch in die neue Saison zu blicken. Wir sind hinter Meister Man City, Champions League Sieger Chelsea und womöglich Meister 2020 Liverpool bestenfalls vierter Favorit auf die Meisterschaft, dennoch haben wir ein junges Team, das mit allen Topteams der Welt mithalten kann. Entscheidend wird sein endlich eine gewisse Konstanz zu entwickeln und die Fähigkeit auch an schlechten Tagen alle drei Punkte mitzunehmen, besonders gegen die Clubs im unteren Drittel der Tabelle. Alles andere als ein Platz unter den Top 4 wäre daher eine große Enttäuschung, was Solskjaer womöglich auch den Job kosten würde. Gleichzeitig sollte man realistisch sein, da wir für den Gewinn der Meisterschaft bei dieser unfassbaren Konkurrenz über uns hinaus wachsen müssten, weshalb man wieder mit Platz 2 oder 3 zufrieden sein müsste, auch wenn dies als United-Fan kaum auszusprechen vermag. Keine Frage, Solskjaers junge Mannschaft hat unfassbar viel Potenzial, einen guten Teamgeist und einen Kader, der sich vor niemandem verstecken muss. Ob es in dieser Spielzeit tatsächlich schon für die erste Meisterschaft seit 2013 reicht, wird sich wie immer erst im nächsten Frühjahr entscheiden…
Egal was passiert, freuen wir uns natürlich, wenn ihr wieder mit uns gemeinsam mitfiebert, mitleidet und mitjubelt, zudem bei den Posts gerne mitdiskutiert und eure Meinung über die aktuellen Themen kundtut. „We win and we lose together!“ Auf eine geile neue Spielzeit! #GGMU #20LEGEND #UNITED