
2. September 2022
Von Adam Englert
Zehn Neuzugänge. Dies war die Anzahl an neuen Spielern, die Interimscoach Ralf Rangnick nach der 0:4-Packung im April gegen Liverpool forderte, um das kriselnde Manchester United zurück in die Spur zu führen. Viereinhalb Monate später ist nun die erste Transferperiode in der Amtszeit Ten Hags zu Ende. Zwar gab es keine zehn Neuen, dafür aber immerhin sechs neue Spieler, die auf Papier perfekt in Ten Hags System passen werden, aber kollektiv über 200 Mio. gekostet haben.
Tyrell Malacia (17 Mio. Euro von Feyenoord)
Unproblematisch, günstig und jung. Ja, diese Kriterien sollte ein Transfer im Idealfall erfüllen und die Personalie Tyrell Malacia ist dabei sehr nah an der Perfektion. Der 23-jährige Niederländer war der erste Transfer in der Ten Hag Ära und hat bis dato in nur drei Partien gezeigt, warum sein Trainer so große Stücke auf ihn hält. In seinem aller ersten Spiel behauptete sich er Linksverteidiger gegen Salah und Alexander-Arnold und auch wenn der junge Linksverteidiger noch einiges lernen muss, hat er schon bewiesen warum er jeden Cent wert ist und wir in der Nahen Zukunft viel Freude an ihm haben werden.
Christian Eriksen (Ablösefrei von Brentford)
Vor etwa einem Jahr hielt die Fußballwelt ihren Atem als Christian Eriksen bei der Euro im Vorrundenspiel gegen Finland nach einem Herzstillstand auf dem Platz reanimiert werden musste. Der dänische Spielmacher überlebte und machte das Wunder perfekt, da er nur 6 Monate später für Brentford in der Premier League sein Comeback feierte… und wie! Dank eines überragenden Eriksen hielt der Underdog die Klasse, wodurch jedem klar war, dass bei allem Respekt solch ein Spieler zu gut für Brentford ist. Zum Glück schlug United zu und holte den ehemaligen Spurs und Inter Spieler ablösefrei, was angesichts unserer Chefetage ein noch größeres Wunder als seine Genesung darstellt! Auf der Neun und der Sechs konnte der Däne nicht überzeugen, doch nun auf der Acht könnte Eriksen als einer der besten Transfers überhaupt in die United-Folklore eingehen.
Lisandro Martinez (57 Mio Euro von Ajax)
“Zu klein?!” Experten zeigten sich skeptisch, als Erik Ten Hag seinen Schützling für eine beachtliche Summe aus Amsterdam nach Manchester holte! Zwar hatte Martinez in der Champions League stets überzeugt, dennoch war man sich in England uneinig, ob der argentinische “Zwerg” mit 1,75 der Physis in der Premier League gewachsen sei…bis eben zum Spiel gegen Liverpool! Beim 2:1 gegen die Reds war Martinez der überragende Mann, verteidigte leidenschaftlich und ließ den Sturm Liverpools wie den von Waalwijk oder Groningen aussehen. Martinez wird sich natürlich noch beweisen müssen, aber in den bisherigen Partien hat der Argentinier angedeutet, dass er sich nicht vor der Premier League fürchten muss, sondern die Premier League vor ihm!
Casemiro (70 Mio Euro von Real Madrid)
Wer braucht Frenkie De Jong, wenn man Casemiro holen kann!? Nach dem Abgang von Nemanja Matic war klar, dass United unbedingt einen neuen Sechser brauchen würde. Dass dieser Spieler der fünfmalige Champions League Sieger Casemiro sein würde, hätte man selbst auf der Konsole für unmöglich gehalten. Bei aller Euphorie ist aber klar, dass der Brasilianer ein üppiges Gehalt beziehen und mit nun 30 wohl nur noch 2-3 Jahre auf Topniveau spielen wird, weshalb eindeutig ist, dass dies ein Transfer für die Gegenwart nicht die Zukunft ist. Diese Personalie ist sicherlich nicht frei von Risiko, sollte Casemiro aber seine Real-Form ins Old Trafford mitnehmen, könnte der Mann aus Sao Paulo ein Unterschiedsspieler a la Robin van Persie, Eric Cantona oder Nemanja Vidic werden. Nach so vielen Flops der letzten Jahre hätten wir es auch wirklich verdient…
Antony (100 Mio von Ajax)
Bei aller Freude daran, eines der größten Talente im Weltfußball verpflichtet zu haben, hat dieser Transfer einen etwas bitteren Beigeschmack. Antony ist ein grandioser Kicker, der an einem guten Tag den Unterschied machen kann, dennoch ist der 23-jährige sicherlich keine 100 Mio wert, was auch seine Statistiken in Europas siebtbester Liga beweisen. Zwar ist ein teurer Antony besser als kein Antony, dennoch wirkt dieser Transfer mehr wie ein Panikkauf, der anderen Vereinen in Europa signalisiert, dass wir bereit sind jede Ablöse zu bezahlen, egal wie absurd hoch sie auch sein mag. Der Flügelspieler hat sicherlich überhaupt keine Schuld an der Ablöse, doch man hat bei Spielern wie Pogba, Lukaku oder Maguire gesehen, dass bei hohen Preisschildern die Erwartungen ebenso hoch sind und kaum erfüllt werden können. Hoffen wir also, dass Antony diesen gerecht und wir als Verein ausnahmsweise mal das letzte Lachen haben.
Martin Dubravka (Leihe von Newcastle mit Kaufoption)
Klar, dieser Transfer ist nicht “sexy”, dennoch ist Martin Dubravka ein wichtiger Neuzugang. Bei einer Verletzung De Geas wären wir auf den 36jährigen Tom Heaton angewiesen gewesen, weshalb es sicherlich nicht verkehrt ist einen weiteren erfahrenen und talentierten Keeper in unseren Reihen zu haben. Angesichts von vier Wettbewerben und regelmäßigen englischen Wochen wird Durbavka auch zu seinen Einsätzen kommen, womit der Slowake sich auch über die Saison hinaus als Alternative anbieten kann.
Potenzielle Transfers im Januar?
Gleichzeitig gab es mit Nemanja Matic, Paul Pogba, Jesse Lingard, Edinson Cavani und Juan Mata zahlreiche prominente Abgänge, die zwar verschmerzbar sind, allerdings ein großes Loch in den Kader gerissen haben, der offensichtlich noch nicht ganz gestopft ist, weshalb wir im Januar womöglich nachlegen müssen, besonders im Falle von Verletzungen. Auch wenn man noch nicht überall zufriedenstellend in der Breite aufgestellt ist, können wir mit dem ersten Teil des Neuaufbaus zufrieden sein, sofern die sechs Neuzugänge nur der Anfang waren.
Cristiano Ronaldo wird mindestens bis Januar ein United-Spieler bleiben, was zwar sportlich gesehen ein Gewinn ist, allerdings medial und womöglich auch teamintern für viel Unruhe sorgen wird. Ronaldo ist durch und durch ein Profi und wird trotz Wechselwunsch sein Bestes geben, dennoch werden wir langfristig einen Mittelstürmer brauchen, da wir mit Anthony Martial nur eine hochwertige Alternative auf der Position haben und CR7 mit 37 nicht langfristig ein Faktor sein wird. Ob ein Stürmer mit passendem Profil im Winter gefunden wird, ist eher unwahrscheinlich, dennoch könnte Ten Hag gezwungen werden aktiv zu werden, sollte die sportliche Kurve nach unten zeigen. Ansonsten gibt es auf fast allen Positionen Nachholbedarf in Punkto Breite, am akutesten vielleicht auf der Rechtsverteiderpostion, wo Dalot zwar stark verbessert ist, dennoch aber noch nicht langfristig überzeugt und Wan-Bissaka ebenso nicht mehr hoch im Kurs steht.
Grundsätzlich aber haben wir in diesem Transferfenster gut abgeschnitten, da wir die wichtigsten Baustellen abgeschlossen haben, wodurch Ten Hag ein fähiges (und teures) Gerüst hat, auf das er seine Philosophie aufbauen kann. Dabei dürfen wir nicht vergessen, dass auch Ten Hag im Lernprozess ist und womöglich erst im Winter oder gar nächsten Sommer weiß, welches Profil an Spieler er am dringendsten für seinen Kader benötigt, wodurch die nächsten Transferfenster nicht unwichtiger werden.
Stand jetzt aber können wir mit unserem Kader vorerst zufrieden sein und uns darauf freuen, dass es nach Monaten von dubiosen Gerüchten, Wechseltheatern und Transfernachrichten endlich wieder um das Sportliche geht. Und mit Blick auf unseren letzten Spiele könnten wir gerade am Sportlichen in dieser Saison manch Freude haben…