Juli 31, 2020

Die Zeit der “Super-Subs”

Warum gerade jetzt in die Ersatzbank investiert werden sollte

31. Juli 2020

Von Adam Englert

Neben den Geisterspielen war wohl die ungewöhnlichste Eigenheit des Post-Corona-Fußballs die neue Wechselregel. Seit der Covid-19-Pandemie ist es Profiteams erlaubt fünf Spieler während eines Spiels auszutauschen, statt der bisherigen drei, eine Sondergenehmigung die von den Regelhütern bis Juli 2021 verlängert wurde. Dies hat das ein oder andere mal zu kuriosen Szenen geführt, bei der fünf Spieler gleichzeitig ein- und ausgewechselt wurden, so wie beim 3:0 Heimsieg gegen Sheffield United als Ighalo, Pereira, Mata, McTominay und James gleichzeitig im 2. Durchgang ins Spiel gebracht wurden. Bisher haben diese Wechselorgien, bis auf ein paar Lacher zwischendurch, kaum einen bemerkbaren Unterschied auf dem Platz gemacht. Im Fall von United wurde meistens die zweite Grade erst spät eingewechselt als die Partie schon längst entschieden war, folglich gelang Jesse Lingard im letzten Spiel gegen Leicester als einzigem Sub nach dem Restart ein Joker-Tor.

Insgesamt galt nach Einführung dieser Regel der Konsens, dass die fünf Einwechselspieler den Topteams aufgrund der breiteren Kader entgegenkommen würden, während kleinere Teams Nachteile erfahren, ob der geringen Qualität auf ihren Bänken. Diese These wurde diese Woche aber von Ignacio Palacios-Huerta, ehemaliger Spielerentwickler bei Athletic Bilbao, in einem Guardian-Artikel (https://www.theguardian.com/…/football-five-substitutes…) widerlegt. Laut dem Spanier würden eher die Teams profitieren, dessen Einwechselspieler eine vergleichbare Qualität mit der ihrer Auswechselspieler hätten. Dieser Eindruck wird z.B. in der Bundesliga bestätigt, da die vier Topteams weniger Spielerwechsel vorgenommen haben als die vier unteren Teams. Dies hänge vermutlich auch damit zusammen, dass Topteams eher “Superstars” im Kader haben, die ein vielfaches mehr als andere Spieler im Team verdienen. So haben Topteams öfter einen unausgeglichenen Kader, bei dem der Qualitätsunterschied zwischen erster und zweiter Elf enorm ist, anders als kleine Teams, die viele “Durchschnittsprofis” auf dem selben Level unter Vertrag haben.

Beispiel gefällig? Wird Marcus Rashford ausgewechselt und durch Dan James ersetzt, lässt die Qualität in der Offensive bemerkbar nach, da man 22 Saisontore 2019/20 gegen 4 Saisontore austauscht. Wenn Burnley aber im selben Spiel z.B Chris Wood (14 Tore) gegen Jay Rodriguez (8 Tore) austauscht, ist der Wechsel deutlich effektiver, da der Leistungsabfall deutlich geringer ist. Als man beispielsweise im Champions Finale 1999 0:1 hinten lag konnte Alex Ferguson Andy Cole (24 Saisontore) durch Ole Gunnar Solskjaer (17 Saisontore) ersetzen. Bei diesem Wechsel war der Qualitätsunterschied sehr klein, besonders wenn man berücksichtigt, dass unser aktueller Trainer saisonübergreifend deutlich weniger Minuten absolviert hatte. Am Ende gewannen wir die Champions League, auch weil Alex Ferguson mit Sheringham und Solskjaer zwei überdurchschnittliche Einwechselspieler im Ärmel hatte.

Was bedeutet diese Erkenntnis für Manchester United und andere Vereine? Grundsätzlich kann man daraus ableiten, dass die Qualität der Ersatzbank in der nächsten Spielzeit umso entscheidender sein könnte. Fünf Wechseloptionen bieten jedem Trainer fünf Möglichkeiten das Spiel positiv zu beeinflussen. Dies deutet an, dass es in der nächsten Spielzeit Sinn macht mindestens fünf Einwechselspieler mit überdurchschnittlicher Qualität parat zu haben. Würden wir uns in etwa mit Sancho und Grealish verstärken, hätten wir zwei deutlich effektivere Joker als bisher, die enge Spiele eher entscheiden können. Je besser unsere Bank, desto besser unsere langfristigen Erfolgsaussichten. Dieses Mantra war sicherlich schon immer gültig, aber mit fünf Einwechslungen wird diese Regel noch mehr zur Geltung kommen. Schon unter Ferguson machten sich viele Spieler neben Solskjaer als “Super-Sub” einen Namen wie Louis Saha, Diego Forlan, Chicharito oder auch Federico Macheda. Gleichzeitig wurden viele Meistermannschaften erst durch Kaderspieler wie Wes Brown, John O’Shea, Darren Fletcher, Ji-Sung Park, Anderson, Nani oder Michael Owen vollendet. Nächste Saison könnten folglich unsere Ersatzspieler, aufgrund der Wechselregel, den Unterschied zwischen einer guten und hervorragenden Spielzeit machen.

Durch die Qualifikation für die Champions League hat Ed Woodward glücklicherweise die finanziellen Möglichkeiten den Kader qualitativ aufzustocken. Sollten wir unsere Zielspieler für die nächste Spielzeit verpflichten und dadurch auch unsere Bank deutlich auf Vordermann bringen, werden sich die Gegner beim nächsten Fünferwechsel warm anziehen. Und, wenn einer die Qualität eines Einwechselspielers schätzen müsste, dann doch wohl unser Finalheld von 1999.

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