
24. Mai 2021
Von Adam Englert
Nach dem Ende der Premier League Saison 2020/21 richten sich aus United-Sicht alle Blicke auf das Europa League Final in Danzig am Mittwoch (Live ab 21 Uhr auf DAZN/Nitro). Dort treffen wir auf den spanischen Vertreter CF Villarreal, der sich im Halbfinale gegen den FC Arsenal durchgesetzt hat. Wir stellen euch den Finalgegner vor, der auf dem Papier als Außenseiter antritt, aber uns auf dem Rasen sicherlich auf Augenhöhe begegnen wird.
Historie
CF Villarreal, das “gelbe U-Boot” genannt, wird am Mittwoch zum ersten Mal in der Vereinshistorie an einem europäischen Finale teilnehmen. Allerdings hat der Verein aus der Stadt mit 50.000 Einwohnern in der Nähe von Valencia in den letzten zwei Jahrzehnten durchaus im Europapokal auf sich aufmerksam gemacht. 2006 erreichte man sensationell das Halbfinale der Champions League, scheiterte dort nur ganz knapp am FC Arsenal mit 0:1 nach Hin- und Rückspiel. Drei Jahre später erreichte man immerhin das Viertelfinale der Königsklasse, wo man erneut, jedoch etwas deutlicher, am FC Arsenal scheiterte. 2011/12 erreichte man zuletzt die Champions League, schied dort aber bereits in der Gruppenphase auf Platz 4 aus. 2012 sollte generell ein Schicksalsjahr für Villarreal werden, da man völlig überraschend aus La Liga abstieg. Glücklicherweise stieg man postwendend wieder auf, wobei es gelang sich nur zwei Spielzeiten später für die Europa League zu qualifizieren. Seitdem ist das gelbe U-Boot Stammgast in der Europa League, wo man es regelmäßig weit in die KO-Runde geschafft hat ohne dabei das Finale zu erreichen – bis eben dieses Jahr. Auch wenn man die Europa League nicht so sehr geprägt hat wie der FC Sevilla, ist Villarreal tatsächlich auf Platz 1 in der ewigen Tabelle der Europa League (ab 2009 ohne UEFA Cup), ein Indiz dafür, dass sich das Team aus Spanien sehr wohl in diesem Wettbewerb fühlt und nach zahlreichen Anläufen reif für den Titel ist.
Trainer
Passend dazu fühlt sich auch der Trainer Villarreals in der Europa League, Unai Emery, sehr wohl. Dies ist aber eine starke Untertreibung, da der Baske zwischen 2014 und 2016 den Wettbewerb dreimal mit dem FC Sevilla gewinnen konnte, der erste Trainer dem dieses Kunststück gelang. Durch diese Erfolge landete er eine Saison später bei Paris Saint Germain, enttäuschte aber unterm Strich in der französischen Hauptstadt, auch wenn man 2018 immerhin Meister wurde. United-Fans kennen Emery überwiegend aus seiner Zeit beim FC Arsenal, auch wenn seine Trainerperiode bei den Gunners nur etwas länger als eine Spielzeit dauerte. Emery, Nachfolger von Arsene Wenger, verpasste mit Arsenal zwar die Champions League, führte die Nordlondoner aber ins Europa League Finale 2019, verlor da aber deutlich mit 1:4 gegen den FC Chelsea. Seit dem letzten Sommer ist Emery nun Trainer des gelben U-Boots, mit denen er die La Liga Saison auf dem siebten Platz (Conference League) beendete, aber durch den Finaleinzug in der Europa League und einem Rekord von 18 Partien ungeschlagen, sich gewiss Sympathien erarbeitet hat. Emery gilt als eher konservativer Trainer, der viel Wert auf Disziplin und die Defensive legt, gleichzeitig aber ballbesitz-orientiert spielt und keinesfalls in Mourinho-Manier den Bus parkt. Gepaart mit seiner internationalen Erfahrung und seinen bisherigen Spielen gegen United in der Premier League, ist Emery sicherlich in der Lage sein Team für das Finale so einzustellen, dass es für die Elf von Ole Gunnar Solskjaer sehr schwer werden wird, zu Torchancen zu kommen. Deshalb sollten wir einen defensiv-geprägten Gegner erwarten, der aber jederzeit fähig ist uns mit schnellem Umschaltspiel vor Probleme zu stellen.
Kader
Villarreal verfügt über eine sehr erfahrene Mannschaft, die zwar wenig echte Stars aufweist, aber im kollektiv sehr effektiv spielt und schwer zu schlagen ist. Darüber hinaus gibt es viele Spieler mit Premier League Erfahrung, sowie ein Abwehrtalent, der monatelang mit United in Verbindung gebracht wird. Im Tor steht mit Rulli ein spielstarker Torwart, der sich gern am Spielaufbau beteiligt, aber auch zu Fehlern neigt, wenn früh gepresst wird, in der KO-Phase allerdings nur drei Gegentore kassiert hat. Generell ist die Stärke des gelben U-Boots die Defensive, mit dem erfahrenen Raul Albiol als Kapitän und Stabilisator in der Innenverteidigung und seinem talentierten Partner Pau Torres, mit 23 Jahren der Jüngste im Team und hochbegehrt bei Europas Topteams – anscheinend auch bei Manchester United. Auf den Außenpositionen spielt rechts entweder Ex-Spurs-Spieler Foyth oder der erfahrene Gaspar, während links hinten Pedraza vor Liverpool-Flop Moreno die Nase vorn hat. Im Mittelfeld agiert Villarreal mit zwei Achtern, wobei Parejo und Capoue (ehemals Watford und Spurs) in der Zentrale spielern, alternativ aber auch Coquelin (ehemals Arsenal) für seinen französischen Landsmann aufgeboten wird. Verzichten muss Villarreal auf den verletzten Flügelspieler Chukwueze, weshalb Yeremi Pino oder auch Moi Gomez wohl rechts starten werden, während Manu Trigueros gewohnt den linken Flügel beackern wird. Im Sturm wird ziemlich sicher Topscorer Gerard Moreno beginnen, während Routinier Bacca sich mit Ex-Dortmund-Stürmer Alcacer um den zweiten Platz im Sturm streiten werden.
Spielweise
Villarreal spielt auf dem Spielbogen in einem klassischen, fast schon englischen 4-4-2, mit einem Fokus auf eine gesicherte Defensive, mit einer Viererkette, die zwar sehr tiefstehend, aber auch sehr ballsicher agiert. Vor der Abwehr spielt man mit zwei Achtern, meistens Parejo und Capoue, die sich allerdings meistens auf ihre Defensivaufgaben beschränken und kaum als Box-to-Box-Spieler in Erscheinung treten, wobei Parejo eher für den Spielaufgabu gefragt ist, während Capoue und Ersatz Coquelin eher für das Grobe zuständig sind. In der Offensive sind neben den zwei Mittelstürmern vor allem die Flügelspieler gefragt, die oft die Positionen wechseln und auch auf der Zehnerposition auftauchen, bei Ballverlust sich jedoch sofort zurückfallen lassen, sodass stets zwei Viererketten hinter dem Ball stehen. Vorne agiert Villarreal mit zwei echten Stürmern, die sich aber beide immer wieder fallen lassen oder auf den Flügel ausweichen, weshalb man die Formation sicher auch als 4-2-3-1 bei Ballbesitz auffassen könnte. Moreno ist mit 23 Saisontoren in der Liga dabei der größte Gefahrenherd, der sehr gefällig mit Stoßstürmern Bacca und Alcacer kombiniert, die beide zwar nicht die allerschnellsten dafür aber sehr kopfballstark und abschlusssicher sind. Auch wenn die Spielweise des Submarino Amarillo nicht so spektakulär wie das von Barcelona, Real Madrid oder gar Sevilla daherkommt, hat Emery ein Team auf die Beine gestellt, das sehr schwer zu schlagen ist und auch das Optimum aus seinen Möglichkeiten rausholt. Zwar gibt es, außer vielleicht Moreno und Torres, die beide in den spanischen EM-Kader gerutscht sind, kaum Stars oder Ausnahmekönner, dafür ist das Team besonders im Kollektiv stark und auch sehr schwer auszurechnen, da sich das Spiel nicht auf einen Kicker konzentriert. Optisch ist Villarreal nicht immer eine Augenweide, dafür wird uns am Mittwoch ein Gegner erwarten, der einerseits sehr erfahren, aber auch taktisch sehr diszipliniert agiert und besonders bei einem Rückstand sehr schwer zu überwinden sein wird.
Weg ins Finale
Villarreal hat einen beeindruckenden Weg ins Europa League Finale gefunden und dabei bisher kein einziges Spiel verloren. In der Gruppenphase hatte man zugegeben eine sehr machbare Gruppe mit Maccabi Tel Aviv, Qarabag und Sivasspor, die man aber souverän mit 16 Punkten als Gruppenerster meisterte. Besonders in der KO-Runde überzeugte die Elf von Emery, da man reihenweise starke Brocken relativ problemlos aus dem Weg räumte. Zunächst schaltete man Salzburg, immerhin aus der Königsklasse abgestiegen, mit 4:1 nach Hin- und Rückspiel aus. Ebenso leicht setzte man sich im Achtelfinale gegen Dynamo Kiev mit zwei 2:0-Erfolgen durch, ehe man auf Spurs-Bezwinger Dinamo Zagreb traf. Zwar überzeugte man dort in beiden Partien nicht wirklich, schlussendlich aber gewann man bei Spiele knapp mit 1:0 und 2:1, um zum zweiten Mal ins Halbfinale der Europa League einzuziehen. Dort zeigte man im Halbfinalhinspiel gegen Arsenal die wohl beste Leistung als man den Ex-Verein von Trainer Emery in der ersten Halbzeit auseinander nahm und sehr viel Pech hatte, dass man “nur” mit 2:1 gewinnen konnte. Im Rückspiel zeigte das gelbe U-Boot dann eine typisch disziplinierte Leistung, in der die Defensive gegen ein hochstehendes Arsenal all seine Erfahrung und Klasse zeigte. Arsenal hatte zwar gute Chancen, doch mit dem 0:0 war das Weiterkommen gegen die Gunners mehr als verdient, sodass man ungeschlagen das erste europäische Endspiel der Vereinshistorie erreichte.
Bisherige Duelle gegen United
Die Bilanz gegen United kann man eigentlich nur als skurril oder kurios bezeichnen, da alle vier bisherigen Duelle mit 0:0 endeten. In der Spielzeit 2006/06 bedeuteten die beiden Remis für United das Aus, während Villarreal mit Topstars Riquelme und Forlan die Gruppe gewann und erst im Halbfinale scheiterte. Im ersten Gruppenspiel bekam Wayne Rooney die gelb-rote Karte nachdem er dem Schiedsrichter hönisch applaudiert hatte, im Rückspiel in Old Trafford reichte es trotz guter Chancen wiederum nicht zu einem Sieg, sodass man durch ein 1:2 gegen Benfica im letzten Spiel zum ersten Mal unter Ferguson in der Gruppenphase scheitern sollte. Drei Jahre später gab es das Duell erneut in der Gruppenphase der Königsklasse, diesmal sollten die torlosen Unentschieden jedoch beiden zum Weiterkommen reichen. United, damals Titelverteidiger, gewann die Gruppe und verlor erst im Finale von Rom mit 0:2 gegen den FC Barcelona, während Villarreal bis ins Viertelfinale vorstoßen sollte. Bei dem Ergebnis von 0:0 wenig überraschend, waren beide Spiele sehr chancenarm, wobei United jeweils ein leichtes Übergewicht hatte. Wie im Jahr 2021 zeigte sich Villarreal jedoch defensiv sehr ausgefuchst, sodass selbst United, am Zenit des Schaffens unter Alex Ferguson, weder einen Sieg noch ein Tor gegen das gelbe U-Boot erzielen konnte.
Fazit
Zum Glück wird es am Mittwoch einen Sieger geben müssen, sodass es kein fünftes 0:0 zwischen United und Villarreal geben wird. Historisch wie auch aktuell ist Villarreal ein Team, das im kollektiv sehr schwer zu bespielen ist und auch Topteams vor große Probleme stellen kann. Anders wie Ajax vor vier Jahren hat unser Finalgegner spielerisch Luft nach oben, doch anders als die Niederländer stehen wir einer erfahrenen Elf gegenüber, die sich mit Verteidigen sehr wohl fühlt und auch mit unserer Physis kaum Schwierigkeiten haben sollte. Aufgrund unserer individuellen Klasse im Angriff gehen wir bei Buchmachern und Experten als Favorit ins Finale, auch wenn unsere Darbietungen zuletzt alles andere als souverän waren. Das gelbe U-Boot hat aber zuletzt beim klaren 4:0-Sieg gegen Sevilla und der knappen 1:2-Niederlage gegen Real Madrid gezeigt, dass man gegen Teams mit talentierten Kadern mithalten und durch taktische Disziplin diese auch durchaus schlagen kann. Bei allem Lob für Villarreal sollte man jedoch festhalten, dass der Gegner, immerhin nur Platz 7 in der Liga, schlagbar ist und an einem guten Tag von Bruno, Pogba und Cavani keine Chance haben sollte. Leider werden Finals nicht in der Theorie oder auf der Playstation gespielt, sondern in der Praxis auf Rasen, wo das Team von Emery alles daran setzen wird, den ersten europäischen Pokal der Vereinsgeschichte zu gewinnen. Vieles spricht zwar nicht dafür, sollten wir jedoch am Mittwoch mit der falschen Einstellung und mangelnder Konzentration zu Werke gehen, könnten wir in Danzig ganz schnell ein gelbes Wunder erleben…