Juli 23, 2025

Marcus Rashford – ein “Mancunian Märchen” ohne Happy End

Von Adam Englert

Mit dem Wechsel auf Leihbasis ist das Kapitel Marcus Rashford vorerst – und womöglich für immer – vorbei.

Dabei endet die United-Karriere des „Local Lads“ aus Wythenshawe fast so abrupt, wie sie vor mehr als neun Jahren begonnen hatte.

Am 25. Februar 2016 begann die Profikarriere von Marcus Rashford im Europa-League-Rückspiel gegen Midtjylland mit einem Knall – und das, obwohl der damals 18-jährige Mittelstürmer gar nicht hätte spielen sollen. Rashford war erst durch die Verletzung Will Keanes in den Kader gerückt. Als sich dann der etatmäßige Mittelstürmer, Anthony Martial, beim Aufwärmen verletzte, wurde erst klar, dass “Rashy” die Partie beginnen würde. So kam Marcus Rashford etwas unverhofft zu seinem ersten Einsatz – eine Chance, die der Jungspund beim Schopfe packte.

Beim Stand von 1:1 stand Rashy im Sechzehner goldrichtig, um Matas Hereingabe zu vollenden. Wenige Momente später stand er ein zweites Mal am richtigen Fleck, um Varelas Flanke ins Tor zu drücken!

United gewann die Partie mit 5:1 und zog ins Achtelfinale ein – und ab diesem Zeitpunkt war klar, dass Louis van Gaal mit seinem goldenen Händchen ein weiteres Juwel mit großer Zukunft entdeckt hatte.

Gleich im nächsten Spiel durfte Rashford wieder von Beginn an ran, diesmal in der Premier League gegen den alten Rivalen FC Arsenal – und wieder traf Rashford, wieder doppelt! Sein viertes Tor im erst zweiten Spiel.

Das Old Trafford hatte einen neuen Liebling gewonnen: ein Eigengewächs, geboren und aufgewachsen in einem Vorort Manchesters.

Nur vier Wochen später steigerte Rashford seinen Hype erneut. Diesmal erzielte der Teenager den Siegtreffer im Manchester Derby gegen City im Etihad – ein Zaubertor, bei dem er Martin Demichelis tunnelte und den Ball flach unter Joe Hart im City-Kasten einschob.

Nun hatte Rashford neben seinem Traumdebüt auch einen Derby-Siegtreffer vorzuweisen – und das nach nur einem Monat Profikarriere.

Eine fantastische Story, die noch märchenhafter wird, wenn man bedenkt, unter welchen Verhältnissen Marcus Rashford seine Jugend verbrachte.

Er wuchs in einer Arbeiterfamilie in Wythenshawe auf, großgezogen von seiner alleinerziehenden Mutter, die mehrere Jobs annahm, um ihn und seine vier älteren Geschwister zu unterstützen. Die Familie litt häufig unter Nahrungsmittelknappheit und war auf Hilfsangebote wie Tafeln und kostenlose Schulmahlzeiten angewiesen.

Diese schwierige Kindheit prägte Rashfords Werte – insbesondere seine Widerstandskraft und sein starkes Gemeinschaftsgefühl – und beeinflusste maßgeblich sein späteres soziales Engagement, insbesondere im Kampf gegen Kinderarmut und Hunger.

Während der Pandemie setzte sich Rashford dafür ein, dass Schulkinder aus unterprivilegierten Haushalten weiterhin ein Mittagessen erhielten – eine Initiative, die er 2021 erfolgreich an britischen Schulen etablieren konnte.

Nach der Entlassung Van Gaals im Sommer litt Rashfords Spielzeit unter José Mourinho. Trotzdem gewann man 2016/17 den League Cup und die Europa League, wobei Rashford im Finale in Stockholm von Beginn an für den verletzten Zlatan Ibrahimović ran durfte.

Trotz eingeschränkter Einsatzzeiten konnte Rashford auch unter Mourinho für einige Highlights sorgen – allen voran im Heimspiel gegen Liverpool im Frühjahr 2018, als er beim 2:1-Sieg beide Tore erzielte und dabei unter anderem Liverpools Eigengewächs Trent Alexander-Arnold mit einer Finte zum Hotdog-holen schickte.

Im Winter 2018 endete die Amtszeit Mourinhos. Ersetzt wurde der Portugiese durch Vereinslegende Ole Gunnar Solskjær, der – ähnlich wie van Gaal – Rashfords Potenzial erkannte und förderte.

Rashford traf gleich als erster Schütze in Solskjærs erstem Spiel und trug mit zehn Toren dazu bei, dass Solskjær 14 seiner ersten 19 Spiele als United-Trainer gewinnen konnte.

Absolutes Highlight dabei: ein verwandelter Elfmeter in der Nachspielzeit im Parc des Princes, wodurch United nach einem 0:2 im Hinspiel dank eines 3:1-Auswärtssiegs bei PSG ins Viertelfinale der Champions League einzog – bis heute der letzte Einzug Uniteds in diese Runde.

In der Amtszeit Solskjærs wandelte sich Rashford von einem Perspektivspieler zu einem absoluten Leistungsträger. In den Spielzeiten 2019/20 und 2020/21 erzielte er jeweils 21 bzw. 22 Tore. Neben dem Vertrauen und reichlich Einsatzzeit war es vor allem die taktische Ausrichtung – mit Fokus auf schnelles Umschaltspiel und blitzartige Konter – die Rashford sowie seinen Sturmkollegen Martial, Greenwood und Cavani entgegenkam.

Auf einen Titel wartete man unter Solskjær jedoch vergeblich. Dennoch: Platz 2 in der Liga und das Erreichen des Europa-League-Finals, gepaart mit zahlreichen spektakulären Toren, waren ein Zeichen, dass Rashford und United auf dem richtigen Weg zu sein schienen.

Als Reaktion auf das verlorene Endspiel verpflichtete United Cristiano Ronaldo von Juventus. Das Old Trafford hatte seinen verlorenen Sohn zurück – doch mit weitreichenden Folgen.

Mit Ronaldo als klassischem Zielspieler verlagerte sich das Spiel auf Flanken und Ballbesitz – das gefürchtete Umschaltspiel fand ein jähes Ende. Rashfords Rolle verkleinerte sich, sein Einfluss schwand. In der Saison 2021/22 erzielte er nur fünf Treffer.

Ronaldo traf zwar 24 Mal, doch United beendete die Spielzeit unter Interimstrainer Ralf Rangnick nur auf Platz 6 – mit 16 Punkten und 16 Toren weniger als in der Vorsaison.

Nach Rangnicks Abgang gab es noch ein letztes Aufbäumen – diesmal unter seinem Nachfolger Erik ten Hag. Und wie: Rashford traf insgesamt 30 Mal in allen Wettbewerben – als erster Spieler seit Robin van Persie mit dieser Ausbeute im United-Trikot.

Darunter auch ein Tor im League-Cup-Finale, das nach sechsjähriger Durststrecke wieder einen Titel ins Old Trafford brachte.

Doch diese Saison sollte leider Rashfords letzte erfolgreiche bleiben. Sowohl die Spielzeit 2023/24 als auch die darauffolgende wurden von Problemen auf und neben dem Platz überschattet.

Ten Hag suspendierte Rashford wegen zweier Verstöße gegen die Teamregeln. Besonders schwer wog ein Vorfall in Belfast, als Rashford nach einer Partynacht das Training schwänzte. Zwar konnte er zum Ende der Saison 2023/24 noch den FA Cup gewinnen, doch er verpasste wegen anhaltender Formschwäche Englands EM-Kader – eine bittere persönliche Enttäuschung.

Im Herbst 2024 übernahm Ruben Amorim das Traineramt bei United – was schließlich das Ende von Rashfords United-Karriere einläutete. Zwar erzielte Rashford gegen Ipswich das erste Tor in Amorims Amtszeit, doch der Portugiese setzte zunehmend seltener auf den formschwachen Stürmer.

Kurz vor Weihnachten absolvierte Rashford sein letztes Spiel in der Europa League gegen Viktoria Plzeň. Im darauffolgenden Derby wurde er aus dem Kader gestrichen – und sollte nie wieder nominiert werden.

Rashford ließ daraufhin in einem Interview mit dem renommierten Journalisten Henry Winter verlauten, dass er „eine neue Herausforderung suche“. Amorim konterte auf Nachfrage zynisch: „Ich würde lieber Torwarttrainer Jorge Vital aufstellen als einen Spieler, der nicht jeden Tag sein Bestes gibt.“

Damit war Rashfords Schicksal besiegelt. Im Winter 2025 folgte die Leihe zu Aston Villa, wo sich „Rashy“ zwar achtbar schlug, aber nicht an alte Glanzzeiten anknüpfen konnte.

Dennoch gelang ihm gestern ein persönlicher Coup: die Leihe zum europäischen Topklub FC Barcelona.

Das beweist, dass sich Rashford trotz aller Rückschläge auf und neben dem Platz einen Namen im europäischen Fußball gemacht hat – und dass er durchaus das Potenzial besitzt, seine Karriere im Camp Nou wieder in die richtigen Bahnen zu lenken.

Für uns United-Fans wird es sich merkwürdig anfühlen – so wie bereits bei seiner Leihe zu Villa –, dass Rashford für ein anderes europäisches Schwergewicht spielt.

Doch Marcus Rashford wird, trotz seines unwürdigen Abgangs, in den Herzen der Fans für immer ein Red Devil bleiben.

Zwar konnte er sein riesiges Potenzial nie zu 100 % ausschöpfen, doch verkörperte der Junge aus Wythenshawe den Ethos unseres Vereins: dass man jungen Spielern aus der Umgebung eine Chance gibt, ihren Traum zu verwirklichen und für United auf dem höchsten Level zu spielen.

In der Folklore wird er wohl nicht an andere Eigengewächse wie Charlton, Best, Giggs, Beckham, Neville oder Scholes heranreichen. Dennoch war Rashford der bislang letzte Spieler aus unserer Jugend, der sich – zumindest phasenweise – zu einem echten Topspieler entwickelt hat.

Auf dem Platz zeigte Rashford vieles von dem, was einen echten United-Spieler ausmacht: hohes Tempo, waghalsige Dribblings und einen technisch feinen Abschluss. Wenn Rashford spielte, fühlte sich Manchester United ein Stück weit wieder wie das alte United an.
Er konnte nahezu alles mit dem Ball – und wenn der Flügelspieler in Topform war, gab es kaum jemanden, der das Old Trafford derart in Ekstase versetzen konnte.

Auch abseits des Rasens bewies der Junge aus Wythenshawe, dass er das Herz am rechten Fleck trägt. Trotz Erfolg und Reichtum vergaß er nie diejenigen, die unterprivilegiert sind und von der Gesellschaft übersehen werden.

Marcus Rashford hat den Mancunian Traum gelebt – der ihn von den Straßen Wythenshawes über seinen Jugendklub Fletcher Moss Rangers bis ins Old Trafford geführt hat.

Das Kapitel Manchester United hat zwar kein Happy End, doch alle United-Fans – oder zumindest diejenigen mit einem Sinn für Romantik – werden hoffen, dass Rashfords Märchenkarriere in Barcelona ein weiteres Kapitel schreibt.

Denn egal, was noch passieren mag:

Like Manchester, Rashford is Red.

All the best, Marcus!

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