
8. Juni 2023
Von Adam Englert
Lest hier die ersten drei Teile des Saisonrückblicks
Wochen der Entscheidung im Februar
United hamsterte auch in den folgenden Woche fleißig Punkte, ließ aber auch zuhause gegen das abstiegsbedrohte Leeds zwei Punkte liegen. Ende Januar war aber die Premier League nicht mehr im Fokus, da sich alle Blicke auf die Pokalwettbewerbe richteten. United war durch Siege gegen Villa, Burnley und Charlton ins EFL-Cup-Halbfinale vorgestoßen, wo mit Nottingham Forest in Hin- und Rückspiel ein machbarer Gegner warten sollte.

Aufsteiger Forest legte zwar einen furiosen Auftritt hin, United war aber im City Ground eiskalt und ging mit 3:0 durch Treffer von Rashford, Weghorst und Bruno als klarer Sieger hervor, wodurch das Semifinale bereits vor dem Rückspiel entschieden war. Auch im Rückspiel brannte wenig an, sodass man auch die zweite Begegnung locker mit 2:0 gewinnen sollte. Folglich hatte United nach 2017 wieder das Finale des EFL-Cup erreicht, während man die erste Reise nach Wembley seit 2018 buchen konnte. United hatte endlich wieder einen Titel im Visier und mit Newcastle, dem Überraschungsteam der Saison, zwar einen anspruchsvollen, aber keinen übermächtigen Gegner im Weg, wodurch die United-Fans mit großer Zuversicht auf das Finale Ende Februar hin fieberten.
Vorher hatte United aber bereits das nächste Topspiel vor der Brust und zwar in der Europa League. Aufgrund der Tatsache, dass man in der Vorrunde nur Gruppenzweiter wurde, musste United im Sechzehntelfinale nachsitzen, wo man auf einen der acht Gruppendritten aus der Königsklasse treffen würde. Dabei bekam United keinen Geringeren als den fünfmaligen Champions League Sieger FC Barcelona zugelost, eine Neuauflage der CL-Finals von 2009 und 2011. Ein absolutes Hammerlos und das schon in der ersten KO-Runde der Europa League.

Im Hinspiel im Camp Nou, Ort des vielleicht größten Sieges gegen Bayern 1999, zeigte Ten Hags Elf einer der besten Saisonleistungen. Obwohl die Katalanen mit absoluter Starbesetzung spielten, machte United über weite Strecken das Spiel und erspielte sich die klareren Abschlüsse. Alonso brachte die Heimelf nach einer Ecke in Front, United hatte aber durch den immer noch überragenden Rashford die passenden Antworten parat. Zunächst konnte der Topscorer ter Stegen aus spitzem Winkel überwinden, ehe er Raphinha vernaschte und scharf in die Mitte gab, wo Kounde die Kugel ins eigene Tor abfälschte. Barca kam zwar durch Raphinha noch zum Ausgleich und drückte in der Schlussphase aufs Dritte, doch Uniteds Abwehr hielt Stand, womit man sich mit dem 2:2 eine vielversprechende Ausgangslage fürs Rückspiel erkämpfte. Es war also also vorbereitet für das Rückspiel im Old Trafford, in dem United endlich wieder einen europäischen Riesen zu Fall bringen wollte.
Eine magische europäische Nacht
Die Elektrizität war die Woche darauf im Theater der Träume zu spüren, als der FC Barcelona zu Gast war. Die Atmosphäre war definitv Champions League Niveau, aber die Leistung auf dem Platz zunächst ausbaufähig. Barca war nach dem durchwachsenen Hinspiel deutlich verbessert und bekam nach 18 Minuten ein großzügiges Geschenk zugesprochen, nachdem Bruno im Sechzehner Alex Balde leicht an der Schulter anfasste und Schiedsrichter Turpin auf Strafstoß entschied. Lewandowski verwandelte und die Katalanen hatten Momentum und Spielstand auf ihrer Seite in einer Hälfte, in der United nicht wiederzuerkennen war.

United brauchte im zweiten Durchgang etwas Besonderes, hatte aber zum Glück einen besonderen Spieler auf der Bank. Zunächst konnte Fred mit der ersten gelungenen Aktion den Ausgleich erzielen, womit das Pendel wieder in Richtung der Heimelf ausschlug. Der blasse Weghorst wurde zudem zur Pause aus dem Spiel genommen und mit dem trickreichen Antony ausgetauscht, der auf dem rechten Flügel ordentlich Musik machte und in der Offensive den Ton angab. Schließlich war es auch jener Antony, der per genialem Dropkick das Siegtor beisteurte und damit das Stadion wie lange nicht mehr an einem europäischen Abend zum Kochen brachte. Barca wirkte geschockt und planlos, womit kein wirkliches Aufbäumen zustande kam. Man United hatte endlich wieder ein Schwergewicht zum Taumeln gebracht und kurzzeitig dachte man an das legendäre Halbfinale von 2008 zurück, als Paul Scholes auf dem Weg zum Champions League Titel per Traumtor das Duell gegen Barca entschied. Unterm Strich war man lediglich ins Achtelfinale der Europa League vorgerückt, dieser Sieg fühlte sich aber wie viel mehr als das an. Lange und ausgelassen konnten sich zumindest die Spieler aber nicht freuen, da der Showdown gegen Newcastle in Wembley nur drei Tage später wartete.
Endlich wieder Silverware
United hatte die schwierige Aufgabe in nur vier Tagen zwei absolute Saisonhighlights zu bewältigen. Nach dem Weiterkommen gegen Barcelona wartete im Finale mit Newcastle der Tabellennachbar, der unter Eddie Howe ebenfalls sensationell auf Champions League Kurs war. Die Red Devils hatten eine Titeldurststrecke von fünf Jahren zu überwinden, dies war aber nichts im Vergleich zu den Magpies, dessen letzter richtiger Titel mit dem FA Cup Gewinn 1955 fast 70 Jahre zurücklag. Dadurch war die Stimmung in Wembley umso emotionaler, da beide Fanlager angestachelt durch die lange Durststrecke ihre Teams frenetisch anpeitschten.
Newcastle erwischte den besseren Start, an jenem Tag war es aber United, dass den ersten Stich setzen sollte: Shaw schlug einen Freistoß an den Sechzehner, den Casemiro perfekt mit dem Kopf erwischte und ins lange Eck beförderte. United hatte den so wichtigen ersten Treffer erzielt und war nun endlich hellwach und im Finale angekommen. Die Magpies waren sichtlich geschockt und mussten anschließend auch den zweiten Gegentreffer fangen. Diesmal wurde Rashford von Weghorst steil geschickt, dessen Abschluss abgefälscht über Ersatztormann Karius ins Gehäuse flog. Die rot-gekleideten Fans im Stadion konnten ihr Glück kaum fassen, aber United hatte zur Pause eine Zweitoreführung im Gepäck und eine Hand am Pokal.

Der zweite Durchgang wurde folglich zur Zitterpartie. Newcastle warf mit dem Mut der Verzweiflung alles nach vorne und startete Angriff um Angriff. Uniteds Abwehr um die überragenden Varane und Martinez war aber unbezwingbar, weshalb sie Minute für Minute jeden Vorstoß der Weiß-schwarzen vereitelten. Schließlich verstrichen auch die letzten Sekunden, ehe Referee David Coote die Red Devils erlöste. Ten Hags Spieler lagen sich alle in den Armen und feierten den Titel überschwänglich. Das erfreuliche dabei: egal ob erster oder drölfter Titel, egal ob seit der Jugend in der Verein oder ein paar Tage wie Marcel Sabitzer, allen Spielern war die unbändige Freude über den Gewinn des EFL-Cups anzumerken. Ein wunderbarer Moment für Verein und Fans, die nach langer Zeit endlich wieder was zu feiern hatten. Die Glückseligkeit kannte wahrlich keine Grenzen. United hatte die fünfjährige Durststrecke beendet und endlich wieder einen Trophäe in die Vitrine gestellt.
Nun hatte man für den restlichen Saisonverlauf einen Pokal bereits sicher, während man mit dem FA Cup und der Europa League noch zwei Eisen im Feuer hatte. Es fühlte sich wieder gut an, United-Fan zu sein und die Vorfreude auf die nächsten Aufgaben hätte nicht größer sein können. Die Red Devils waren fraglos gut in Schuss und obenauf, und so war es ja eigentlich schon ideal, dass die nächste Partie ausgerechnet an der Anfield Road stattfinden sollte.
Sicherlich kein leichtes Pflaster, aber angesichts der guten Form und den schwächelnden Reds, was sollte da schon schief gehen können…
Forsetzung folgt…