Warum uns dieses Transferfenster teuer zu stehen kommen könnte…

2. Februar 2022
Von Adam Englert
Viele Abgänge, keine Verstärkungen
Als hierzulande die Uhr Mitternacht den 1. Februar schlug, wurde es reale Gewissheit, dass Manchester United in diesem Transferfenster keine neuen Verpflichtungen vermelden würde. Wie so oft hatten sich Journalisten aus diversen Sportzeitungen und -gazetten die Finger wund geschrieben, über jene potenzielle Neuzugänge die aus aller Welt in den roten Teil Manchesters wechseln sollten. Durchaus verständlich, da kein Team weltweit mehr Fans hat als Manchester United, was zahlreiche wiederum Clicks und Aufmerksamkeit garantiert. Dabei wurden dutzende namhafte Kicker genannt, von Alvarez bis Zakaria, doch am Ende sollte im Old Trafford tatsächlich in punkto Transfers die Null stehen.
Dabei wären Verpflichtungen, aus Sicht der Fans zumindest, durchaus nötig gewesen, besonders in Anbetracht der prekären Tabellensituation. United hat gerade so Platz 4 in der Tasche, wodurch bis Saisonende ein harter Kampf um das letzte Champions League mit den Konkurrenten Arsenal, Tottenham, Wolves und West Ham schon vorprogrammiert ist. Dieses Zögern auf dem Transfermarkt ist ferner auch deswegen unverständlich, da man im Winter mit Anthony Martial, Amad Diallo und Donny van de Beek drei gestandene Profis verliehen hat, weshalb der in manch Position dünn besetzte Kader noch bröckliger erscheint. Ein Blick auf den verfügbaren Kader genügt dabei, um festzustellen, dass es auf einer Position besonders brennt, der vielleicht wichtigsten im modernen Fußball.
Let’s talk about Sechs
Seit gestern ist es eben nun auch gewiss, dass Scott McTominay und Fred, auch “McFred” genannt, die Achse bilden werden, auf die wir uns nun bis zum Sommer auf der Doppelsechs verlassen müssen. Die beiden defensiven Mittelfeldspieler standen in dieser Spielzeit oft in der Kritik, manchmal auch zu Recht, zeigten aber in den letzten Partien unter Rangnick durchaus konstant überzeugende Leistungen zusammen, weshalb diese Besetzung der Doppelsechs immerhin als “zufriedenstellend” eingestuft werden kann. Sollte sich einer der beiden langfristig verletzen, könnte aber schnell aus Zufriedenheit ein Desaster werden, in Anbetracht der wenigen verlässlichen Alternativen.
Nemanja Matic ist selbstverständlich ein begnadeter Kicker, der vor drei-vier Jahren noch auf Weltklasse-Niveau agiert hat, leider ist der Serbe, mittlerweile 33 Jahre alt, nun etwas in die Jahre gekommen, weshalb er in der Highspeed-Liga Premier League kaum noch eine Option für 90 Minuten oder gar zwei Spiele innerhalb von drei Tagen ist. Mit Paul Pogba haben wir zwar einen weiteren Weltklasse-Mittelfeldspieler, allerdings war der Weltmeister von 2018 zuletzt drei Monate am Stück verletzt, zudem hat er in den fünf Jahren nach seiner Rückkehr kaum geschafft eine verlässliche Säule in der Zentrale zu werden, während seine beste Position ohnehin wohl Linksaußen oder auf der Acht zu sein scheint. Die einzige weitere Option, Donny van de Beek wurde nach nur 14 Kurzeinsätzen in dieser Saison nach Everton verliehen, wobei der Niederländer sicherlich ähnlich wie Pogba überwiegend im offensiven Mittelfeld seine Stärken ausspielen kann.
Aufgrund dieser angespannten Personalsituation auf der Sechs, dem Maschinenraum des Pressingspiels, wirkt es deshalb für einen Verein wie Manchester United absurd, dass man sich nicht zumindest mit einem Spieler für das defensive Mittelfeld verstärkt hat. Mit potenziellen Zielspielern wie Denis Zakaria, der gestern für “Peanuts” zu Juventus gewechselt ist, Boubacar Kamara von Marseille, Amadou Haidara von Leipzig oder Yves Bissouma von Brighton hätte es durchaus bezahlbare Transfers gegeben, die für das nötige Kleingeld sicherlich das Trikot der Red Devils übergestreift hätten. Dass man im Winter keine Transfers eines Kalibers von Ruben Neves oder Declan Rice an Land zieht, ist bei den geschätzten Ablösen freilich verständlich und nachvollziehbar, dass man sich aber mit keinem erschwinglichen Sechser auf Topniveau verstärkt hat, zeugt dann aber schon seitens der Vereinsführung von Überheblichkeit oder Inkompetenz. Bei dem straffen Restprogramm bis Mai, Nachholpartien, FA Cup und Königsklasse inklusive, dürfte es ein Wunder sein, wenn wir mit dem jetzigen Personal unsere ohnehin schon unwahrscheinlichen Ziele erreichen. Daher bleibt Stand jetzt nur noch die Option ein Gebet zu sprechen und zu hoffen, dass Scott McTominay und Fred ohne Verletzungen bis zum Sommer durchhalten…
Blue Monday
Mittlerweile ist es leider auch eine rabenschwarze Woche aus United-Sicht im Sturm geworden, eigentlich unsere am besten bestückter Mannschaftsteil. Mason Greenwood wurde auf Verdacht der häuslichen Gewalt und der Vergewaltigung gestern verhaftet, weshalb der Youngster bis auf weiteres vom Verein suspendiert wurde. Diese schweren Vorwürfe gegen den 20jährigen könnten das Karriereende bedeuten, wobei es sowieso Jahre dauern könnte bis der Fall juristisch geklärt wird, wodurch Greenwood selbst im Falle seiner Unschuld wohl monatelang fehlen dürfte. Gleichzeitig wurden mit Anthony Martial und Amad Diallo zwei Stürmer verliehen, die zwar wenig Einsatzzeiten bekommen haben, aber nun nach der Suspendierung Greenwoods wohl größere Chancen auf einen Startplatz bekommen hätten. Zwar haben wir mit Ronaldo, Cavani, Rashford, Sancho, Elanga und auch Jesse Lingard genügend Optionen im Angriff, langfristig könnten wir aber dennoch Probleme bekommen, da Cavani nicht über den Sommer hinaus bleiben wird und auch Ronaldo, 37 diesen Monat, im Falle des Verpassens der Königsklasse möglicherweise auch weiterziehen könnte, weshalb man im nächsten Transferfenster wohl nochmal im Angriff tätig werden muss. So war die Tatsache, dass Lokalrivale Man City uns mit der Verpflichtung von Julian Alvarez das wohl größte Sturmtalent Südamerikas vor der Nase weggeschnappt hat, das i-Tüpfelchen an einem wahrlich beschissenen Deadline Day Montag.
Top 4 gewinnt
Somit muss man die Personalpolitik Uniteds in diesem Winter schlichtweg als großes Risiko betrachten. Zwar hat man weiterhin realistische Chancen auf die Platz 4 und der Champions League Qualifikation, zudem auch entfernte Chancen auf eine Titel (FA Cup), wie Ralf Rangnick dies mit dem in manch Position dünn-besetzten Kader bewerkstelligen soll, bleibt dabei aber das Geheimnis vom scheidenden Geschäftsführer Ed Woodward und der Glazer-Familie. Kein United-Fan hat einen Kaufrausch wie bei den abstiegsbedrohten und neureichen Magpies erwartet, dass man allerdings keinen einzigen Transfer an Land gezogen hat und gleichzeitig drei namhafte Spieler verliehen hat, grenzt aber an Wahnsinn oder zumindest Rücksichtslosigkeit. Die Tatsache, dass Clubs aus dem Mittelfeld und den unteren Regionen der Tabelle wie Aston Villa, Everton oder Newcastle mehr Ambitionen gezeigt haben und sich teilweise mit namhaften Kickern verstärkt haben, lässt unseren Verein, eigentlich ein Koloss des europäischen Fußballs, alles andere als gut aussehen. Bei bis zu 28 Partien noch bis Ende Mai bedarf es deshalb nun großer Rotation sowie auch viel Verletzungsdusel, dass wir nicht in den nächsten Wochen mit einem Rumpfkader dastehen werden. Daher sollte Ralf Rangnick neben seiner Taktiktafel auch eine Kerze anzünden und beten, dass sich kein Leistungsträger in den nächsten Wochen ernsthaft verletzt. Für einer der reichsten Vereine der Welt, ein Armutszeugnis, dass man mit dem sportlichen Schicksal des Vereins dermaßen dem Zufall überlässt. Andererseits, was will man schon erwarten bei Besitzern, die die Super League für die Rettung des Fußballs erachten…
Neuer Trainer im Sommer?
Wenn man die Situation etwas wohlwollender sieht, könnte man annehmen, dass das Zögern im Januar auf einen Trainerwechsel im Juni hinweisen könnte. Ralf Rangnick ist offiziell nur bis Saisonende als Interimscoach angestellt und wird der von offizieller Seite ab der nächsten Saison als Berater tätig sein, auch wenn seine genaue Rolle unklar ist. Rangnick selbst hat angedeutet, dass er sich vorstellen könnte auch über den Sommer hinaus Trainer zu bleiben, dass man ihm aber seitens der Besitzer nicht mal einen Neuzugang gegönnt hat, dürfte dieser These jedoch stark widersprechen. Stattdessen verdichten sich daher vermehrt die Anzeichen, dass Manchester United im Sommer einen neuen Cheftrainer an der Seitenlinie stehen haben wird. Ob man aber bei mit einem Platz außerhalb der Top 4 wirklich einen Wunschkandidaten a la Pochettino oder ten Hag an Land ziehen kann, würde so umso schwieriger werden, weshalb der Verzicht auf Transfers im Januar mehr als unlogisch und unvorsichtig erscheint.
Kein Mensch weiß was die Zukunft für Manchester United bringen wird, dennoch liegt der Verdacht nahe, dass der Januar der Sparsamkeit uns nicht doch teuer zu stehen kommt, sollten wir den Top 4 Platz verpassen, sodass wir im Sommer erst recht für Neuzugänge umso tiefer in die Tasche greifen müssen. Hoffen wir also, dass das Budget in den nächsten Wochen zumindest noch für ein paar Kerzen ausreicht…