Juni 7, 2023

“This feels like Manchester United again!” – Ten Hags Debütsaison in der Analyse Teil III

7. Juni 2023

Von Adam Englert

Lest hier Teil I und Teil II des Saisonrückblicks:

Die „Comeback Kids

Nur drei Tage nach dem WM-Finale ging es schon weiter im Carabao Cup gegen Burnley, eine Partie, die man problemlos mit 2:0 gewinnen konnte. Zweiter Torschütze an jenem Abend war Marcus Rashford, der schon bei der WM eine gute Figur abgab. In der Vorsaison hatte der Vorzeigeprofi aus der eigenen Jugend eine schwierige Zeit erlebt, in der er von Verletzungen geplagt lediglich vier Treffer in der Liga beisteuern konnte, wodurch Experten seine Tage bei den Red Devils als gezählt betrachteten. Nach der WM war der Junge aus Wythenshawe aber nicht zu stoppen und traf beim ersten Premier League Spiel post Katar gegen Forest ebenfalls zum 1:0. Und auch bei den Wolves den einzigen Treffer zum 1:0-Sieg, obwohl er aus der Startelf verbannt wurde, da er zu spät zur Teambesprechung gekommen war. Drei tage später traf er auch beim ersten Spiel 2023 gegen Bournemouth, sowie auch im EFL-Cup gegen Charlton. Rashy war “on fire” und wirkte dabei keinen Tag älter als der 18jährige Schlaks, der damals im Jahr 2016 so unbekümmert das Old Trafford begeisterte. Seine zahlreichen Tore feierte der Ehrendoktor der Universität Manchester, indem er den Zeigefinger an seine Schläfe hielt. Rashford war nicht nur physisch, sondern mental wieder der alte und United hatte seinen Academy-Helden zurück in Bestform.

Diese Topform war aber nicht nur Rashford vorbehalten. Auch Aaron Wan-Bissaka, der in der Hinserie noch Reservist hinter dem überzeugenden und konstanten Diogo Dalot war, konnte mit starken Leistungen überzeugen. Zwar hatte er noch nicht seine Defizite beim Offensivspiel überwunden, aber im Defensivverhalten war AWB schlichtweg ein Monster, der jeden Gegenspieler in der Tasche hatte. Ähnlich erfolgreich lief es auch auf der Linksverteidigerposition, wo Luke Shaw mit teils überragenden Leistungen Tyrrell Malacia den Rang abgelaufen hatte. Shaw überzeugte zusätzlich aber nicht nur als Linksverteidiger, sondern wurde zur Überraschung vieler auch des Öfteren als Innenverteidiger aufgeboten – und zur noch größeren Überraschung, spielte Shaw so als hätte er schon Jahrelang auf dieser Position agiert. Neben den beiden Außenverteidigern, fand auch Bruno Fernandes zurück zu alter Exzellenz. Obwohl sich keiner mehr über die Verpflichtung CR7s gefreut hatte als Bruno Fernandes, waren beide portugiesischen Stars auf dem Platz nicht auf der selben Wellenlänge. Im Gegenteil: Bruno war in der Spielzeit 21/22 nicht mehr wiederzuerkennen und absolvierte seine statistisch schwächste Saison im Dress der Red Devils. Nun ohne sein großes Idol vor sich, konnte Uniteds neue Nummer 8 endlich wieder befreit aufspielen, was sich auch auf seine Leistungen abfärbte. Bruno war wieder Dreh- und Angelpunkt aller United-Angriffe und wieder derselbe Bruno, der nach seinem Wechsel von Sporting die Premier League im Sturm erobert hatte. 

United konnte sich also glücklich schätzen, dass die quasi komplette Stammelf in absoluter Topform aus der WM-Pause zurückkam, was sich in 5 Siegen in 5 Spielen nach der Pause manifestierte. Die Red Devils waren ohne Frage gut und Schuss, allerdings waren die Gegner allesamt aus der Kategorie „machbar“, wenn nicht absolute Pflichtsiege auf dem Papier. Der große Test sollte noch kommen und das auch prompt zum eigentlichen Rückrundenauftakt: Meister Manchester City war im Old Trafford zu Gast und die ganze Welt war gespannt, ob United nach dem 3:6 aus dem Hinspiel das nächste Debakel erleben sollte. Doch wie so oft in dieser Saison sollte United es den Zweiflern zeigen…

Von Derby Debakel zu Derby Dreamland

Von Beginn an wurde deutlich, dass es die Heimelf anders als im Etihad ernst meinte und im Derby voll auf Sieg spielen würde. United spielte mutig, presste hoch und ließ die Citizens, anders als im Hinspiel, nicht zur Entfaltung kommen. Zur Pause stand es zwar 0:0, doch United hatte die besseren Chancen und die zwingenderen Aktionen vorzuzeigen. Es wäre aber nicht Manchester City, wenn die erste Torannäherung der Gäste nicht gleich zum Treffer führen sollte. De Bruyne durfte ungestört flanken und Grealish nickte zum schmeichelhaften Führungstreffer ein. Es sollte wohl einfach nicht sein, dachten viele, United aber steckte an diesem Tag nicht auf und kämpfte weiter um jeden Zentimeter Rasen.

Ein Pass von Eriksen in die Tiefe, eigentlich für den aus dem Abseits gestarteten Rashford gedacht, erreichte stattdessen Bruno, der die Kugel gefühlvoll an Ederson vorbei ins Netz beförderte. Man City protestierte, doch der Treffer hatte Bestand, da Rashford nicht aktiv zum Ball gegangen war. Einer der zugegeben glücklichsten Entscheidungen pro United in dieser Spielzeit. Nach dem Ausgleichstreffer war die Heimelf fortan nicht mehr zu stoppen und belagerte die City-Box mit zahlreichen Vorstößen. Mit dem Momentum auf der roten Seite, durfte der eingwechselte Garancho kurz darauf an den Fünfer hineingeben, wo ausgerechnet Marcus Rashford, der gebürtige Mancunian, das Siegtor im Manchester Derby erzielen durfte. In der Stretford End brachen alle Dämme und im roten Teil Manchesters träumte man kurzfristig wieder von besseren Tagen und einem späten Vorstoß in den Meisterschaftskampf, der eigentlich nur zwischen City und Arsenal ausgefochten wurde.

BT-Sport-Kommentator Peter Drury brachte den magischen Moment der roten Glückseeligkeit auf den Punkt als er nach dem Derby-Sieg resümierte: 

“United win it and United are in it. A red statement like few others, they mean it again, this feels like Manchester United again!”

Es wirkte tatsächlich kurz so, als würden die Red Devils wieder an ganz alte Zeiten anknüpfen und wieder ernsthaft nach Titel Nummer 21 greifen. Im Vergleich zum 3:6 im Etihad wirkte die Mannschaft zudem reifer, mental stabiler und spielerisch schlicht in allen Belangen besser. Manchester war wieder rot und es fühlte sich verdammt gut an.

Doch wie so oft im Fußball weilte diese Freude nicht allzu lange, da man nur einen Spieltag später auf ein Team in noch besserer Form treffen sollte…

Die Neuauflage einer alten Rivalität

Neben der erbarmungslosen Belastung, hatte es auch der Spielplan nicht gut mit United gemeint, da nach City für das zweite Spiel der Rückrunde das Auswärtsspiel im Emirates bei Arsenal angesetzt wurde. Die Gunners hatten bis dato nur ein Spiel verloren, ausgerechnet in der Hinserie im Old Trafford, und grüßten mit 5 Punkten Vorsprung vor City an der Tabellenspitze. Es war noch ein weiter Weg zu gehen, aber ganz England war sich einig, dass die Kanoniere das Zeug hatten bis zum Ende oben zu bleiben.

In Nordlondon entwickelte sich ein rasantes Spiel. Beide Teams schenkten sich wenig und spielten als wäre weit mehr auf dem Spiel als nur drei Punkte. United, mit Ronaldo-Ersatz und Leihspieler Wout Weghorst in der Startelf, ging durch ein Traumtor von Marcus Rashford in Führung, die aber nicht lange Bestand hatte, da Nketiah kurz darauf per Kopf ausgleichen konnte. Mit 1:1 ging es in die Kabinen, doch auch nach der Pause bot sich ein Spiel auf Augenhöhe, das beide Teams mit offenem Visier austragen sollten. Saka traf ebenfalls per Traumtor zum 2:1, diesmal konnte aber Ten Hags Elf durch Lisandro Martinez schnell ausgleichen, der nach einer Ecke sein erstes United-Tor verbuchen konnte. Die Partie war zunächst weiter offen, nach ca. 75 Minuten schwanden bei United aber die Kräfte, auch weil man anders als die Gunners am Mittwoch noch ein Nachholspiel bei Palace absolvieren musste. Somit waren die Red Devils in der Schlussphase darauf bedacht, den Punkt mit nach Manchester zu nehmen, während die Heimfans im Emirates die Gastgeber zum Sieg pushen wollten. Fast wäre das 2:2 nach Hause gebracht worden, leider hatten die Gunners aber an jenem Januartag das Happy End auf ihrer Seite. Mit der letzten Aktion des Spiels wurde ein Abschluss Ödegaards von Nketiah ins Tor verlängert und das Emirates stand Kopf, während den Gästen aus Manchester Enttäuschung und Erschöpfung anzusehen war.

Nach dem 3:1 im Hinspiel hatten sich die Gunners mit einem Last-Minute-Sieg revanchiert, eine Partie dessen Niveau an die 1990er Jahre erinnerte, als sich Ferguson und Wenger mit ihren Kapitänen Keane und Vieira um die Premier League Krone duellierten. Arsenal hatte zudem (vorerst) bewiesen, dass es endlich reif für den großen Wurf sei, während United nur eine Woche nach dem Derby-Coup erkennen musste, dass in dieser Saison zumindest, die Meisterschaft mehr Wunsch als Wirklichkeit darstellen sollte. Fortan war für die Red Devils ein Platz unter den Top 4 das realistischere Saisonziel, auch wenn man im Vergleich zu den Wochen davor große Fortschritte erzielt hatte.

Zum Glück für Manchester United waren mit der Europa League und dem EFL-Cup jedoch zwei Trophäen weiter im Bereich des Möglichen…

Fortsetzung folgt…

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