März 15, 2024

Manchester United vs. Liverpool – Tradition, Tragödie, Titel

Von Adam Englert

Ex-Liverpool-Trainer und Legende Bill Shankly sagte einst:

Keiner weiß, was der Schotte bei diesem Zitat im Kopf hatte, aber es wäre nicht verwunderlich, wenn er an Duelle mit Erzrivale Manchester United gedacht hat. Im englischen Fußball gibt es viele berühmte Rivalitäten, die innerhalb und zwischen Städten verlaufen und teilweise bis ins 19. Jahrhundert zurückgehen.

Ohne Zweifel gibt es jedoch im Mutterland des Fußballs jedoch kein bedeutenderes Spiel als Manchester United vs. Liverpool.

Beide Arbeiterstädte, die lediglich 30 Meilen auseinander liegen, haben viele Differenzen, aber auch viele Gemeinsamkeiten. Beide Vereine verbindet eine gemeinsame Geschichte, beide Vereine sind auf ihre Weise die erfolgreichsten des Landes, beide Vereine haben schlimme Tragödien erlitten, beide Vereine haben einen in blau spielenden “nervigen Nachbarn”, beide Vereine sind weltweit bekannt und geliebt. In Zahlen sind die Dimensionen der Rivalität umso beeindruckender. Zusammen kommen beide Teams auf 39 Meistertitel, 20 europäische Titel, darunter 9 Champions League Trophäen, 20 FA Cup Pokale und insgesamt fast 800 Millionen Fans weltweit. Aber Zahlen beiseite ist dieses Spiel kein Spiel wie jedes andere.

Bereits im vorletzten Jahrhundert gab es hart umkämpfte Duelle zwischen dem 1892 gegründeten FC Liverpool und Newton Heath (gegründet 1872), dem Vorgänger Team von Manchester United. Anders als in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts dominierten United und Liverpool zu Beginn des 20. Jahrhunderts keineswegs, da sich die Dominanz der beiden Clubs erst nach dem Zweiten Weltkrieg etablieren sollte. 1945 übernahm Matt Busby das Ruder beim erfolglosen Manchester United, das über 30 Jahre lang titellos geblieben war. Das kuriose dabei: der Schotte hatte 115 Spiele für den FC Liverpool bestritten, bei denen er zum Kapitän aufstieg und als einer der besten Spieler der Liverpooler Vereinsgeschichte galt.

Busby konnte rasch das Ruder rumzureißen. United, aufgrund der vielen jungen Spieler, “Busby Babes”, genannt, gewann wieder Titel, zunächst den FA Cup 1948, später die Meisterschaften 1952, 56 und 57. United war auf und an sowohl in England als auch in Europa auf Jahre zu dominieren, bis dieser Traum 6.2.1958 am bei einem Flugzeugunglück in München zerschellte und 23 Menschen, darunter sieben Spieler, ihr Leben ließen. Matt Busby überlebte schwer verletzt, stellte ein neues Team zusammen mit Spielern wie Stiles, Law, Best und Charlton, mit dem United auch in den 60er Jahren zwei Meisterschaften, den FA Cup sowie den Pokal der Landesmeister 1968 gegen Benfica, als erstes englisches Team überhaupt gewann. Doch auch Rivale Liverpool kam unter neuem Trainer Bill Shankly zu großen Erfolgen und gewann in den 1960ern ebenso zwei Meisterschaften und den Pokal.

United und Liverpool entwickelten sich unter ihren schottischen Trainerlegenden Busby und Shankly zu den zwei besten Teams Englands und wurden dadurch zu Rivalen.

Für United ging es in den 70ern sportlich zunächst bergab, eine sportliche Talfahrt, die mit dem Abstieg 1974 aus der ersten Liga ihren Höhepunkt fand. Liverpools Siegeszug hingegen nahm erst so richtig Fahrt auf, wodurch die Reds unter Shankly 1973 das Double aus Meisterschaft und UEFA Cup einfahren konnten. Nach dem Rücktritt Shanklys 1974 setzte sich Liverpools Höhenflug unter Nachfolger Bob Paisley weiter fort. Die Reds gewannen unter Paisley Meisterschaft um Meisterschaft und ganze drei Landesmeisterpokal zwischen 1976 und 1983, sowie ein Jahr später noch einmal unter Trainer Joe Fagan. Immerhin durfte United 1977 im FA Cup sensationell den Erzrivalen besiegen, ein Ausreißer nach oben in einer dunklen Dekade für die Red Devils.

1986 heuerte schließlich ein gewisser Alex Ferguson bei United an, aber zunächst hatte diese Personalie auf die Dominanz der Reds aus Liverpool keine Auswirkung, da der Rekordmeister 86, 88 und 90 drei weitere Meisterschaften in die Sammlung hinzufügen konnte.

Traurigerweise wurde 1989 auch Liverpool Opfer einer schrecklichen Tragödie, als bei einem Pokalspiel im Hillsborough Stadion zu Sheffield 97 Liverpool-Fans bei einer Massenpanik ihr Leben ließen. Ähnlich wie das Disaster 1958 ein Unglück, das den englischen Fußball erschütterte und bis heute tragischer Bestandteil der Liverpooler Clubgeschichte ist.

1992/93, dem Geburtsjahr der Premier League, wendete sich das Blatt endlich wieder, als United mit Neuzugang Cantona nach 26 Jahren Durststrecke endlich wieder englischer Meister wurde. Eine Meisterschaft, die eine Dekade einleiten sollten, in der United den englischen Fußball nach Belieben dominierte, mitunter auch mit einem FA Cup Sieg 1996 im Finale (Siegtor Cantona) gegen Liverpool.

1999 fand die Erfolgsgeschichte Uniteds unter Ferguson ihren Höhepunkt als man als erstes englisches Team das Triple aus Premier League, FA Cup und Champions League gewann, ein Erfolg den Man City erst 24 Jahre später egalisieren konnte. Trotz Champions League Wunder von Istanbul 2005 musste Liverpool tatenlos zusehen wie United unter Sir Alex Titel um Titel gewann.

2011 war es schließlich so weit, dass United mit dem 19. Meistertitel Liverpool als Rekordmeister des Landes ablöste und zwei Jahre später im letzten Amtsjahr Fergusons gar noch Nummer 20 draufsetzte. Ohne Ferguson war die Magie im Old Trafford jedoch je verschwunden, während Liverpool aus Deutschland in Jürgen Klopp einen neuen Helden fand. 2019 gewann Liverpool unter “Kloppo” zum sechsten mal die Königsklasse, 2020 folgte dann der große Coup, der erste Premier League Titel und die erste Meisterschaft seit 30 Jahren.

Am Sonntag wird im in der Premier League das nächste Kapitel dieser besonderen Rivalität geschrieben, nachdem beide Teams letzte Saison im FA Cup ein Spiel für die Ewigkeit ablieferten.

Trotz dieses Erfolgserlebnisses muss man als United-Fan schweren Herzens akzeptieren, dass Jürgen Klopps Liverpool-Ära dazu geführt hat, dass die „Scousers“ den „Mancunians“ sportlich enteilt sind, weshalb die Rivalität in manch Hinsicht etwas einseitig geworden ist, was sich anhand einiger Abreibungen in den letzten 2 Jahren manifestiert hat. Trauriger Höhepunkt aus United-Sicht war dabei das 0:7 an der Anfield Road im März 2023, eine Niederlage, die noch Jahre später schmerzt.

Die gute Nachricht ist jedoch, dass Jürgen Klopp nach mehr als acht Jahren beim FC Liverpool den Verein im Sommer verlassen hat und nun durch Arne Slot ersetzt worden ist, der aber mit zwei Siegen zum Auftakt einen Start nach Maß hingelegt hat.

Dennoch wird es für den FC Liverpool fast unmöglich werden, Jürgen Klopp adäquat zu ersetzen, sodass auch die erfolgsverwöhnten Liverpool-Fans in naher Zukunft womöglich auch wieder leiden könnten, so wie sie es bereits in der Ferguson-Ära getan haben, als wir 2013 unseren Erfolgstrainer, in unserem Fall den größten aller Zeiten, verloren haben.

Letztendlich weiß aber niemand, was die Zukunft bringen mag. Fakt ist aber, dass Manchester United gegen Liverpool für Jahre noch das größte Duell im englischen Fußball bleiben wird und auch noch weitere zahlreiche spannende und dramatische Kapitel dieser einzigartigen Rivalität schreiben wird.

Wir United-Fans werden sicherlich noch nervenaufreibende Duelle mit große Siegen aber auch bitteren Niederlagen erleben in einem Spiel, das für viele, in den Worten Shanklys zumindest, mehr bedeutet als Leben oder Tod.

1 Comment

Schreibe eine Antwort zu AnonymAntwort abbrechen